Hallo Lupo, ich kann mich der Meinung von Konni nur anschliessen. Trotzdem möchte ich meine Erfahrungen zu dem Thema darstellen.
Deine Frage, ob es durch eine frühe Trennung der Jungvögel zur einer Fehlprägung / einem Fehlverhalten kommen könnte kann ich mit ja und nein beantworten!
Eine fehlerhafte oder zumindest unvollständige Prägung setzt beim Gesang der Jungvögel ein. Bei diesem handelt es sich nämlich nicht um ererbtes, sondern um erlerntes Verhalten. Das zeigt ja u.a. auch die Tatsache, das handaufgezogene und v.a. akustisch isolierte Gimpel ihren arteigenen Gesang überhaupt nicht zeigen und statt dessen bis zu drei versch. Lieder von Ihrem "Vorpfeiffer" erlernen können! Dabei wird die Grundstruktur des Gesanges zwar noch im "Brutjahr" von den Jungvögeln erlernt, aber die "Feinheiten" bzw. der sog. Dialekt - den es bei vielen Singvogelarten gibt - wird meist erst im Winter und darauffolgenden Frühjahr erlernt. Interessanterweise wird der Gesang von Jungvögeln ausschliesslich vom Männchen übernommen. Ist dieses also gesanglich bereits fehlgeprägt worden (z.B.: Durch Ammenbrut bei Kanarien oder Karmingimpeln), so werden es auch alle seine Nachkommen! Ist jedoch (nur) das Weibchen gesanglich fehlgeprägt, so bleibt dies auf die Nachkommen ohne Auswirkung.
Es macht also durchaus Sinn die Nachzucht(en) nach der Brutsaison mit den Eltern bzw. dem Vater in einer Voliere überwintern zu lassen, um eine erfolgreiche gesangliche Prägung zu erhalten.
Die angesprochene Geschwisterverpaarung, gibt es tatsächlich und das durchaus auch im gleichen Geschlecht! Es ist Training der Jungvögel im Rang- & Balzverhalten und erfüllt den evolutionsbiologischen Sinn, dass sich Geschwistervögel im kommenden Frühjahr möglichst nicht miteinander verpaaren
(=Inzucht)und dann endgültig trennen.
Keine Bedeutung hat eine frühe Trennung der Jungvögel von den Eltern auf den späteren Nestbau oder das Verhalten dem künftigen Partner gegenüber. Der Nestbau wird bei Gimpeln ja ausschliesslich vom Weibchen übernommen. Bei ihm handelt es sich nicht um erlerntes, sondern um ererbtes Verhalten. Ist auch irgendwie logisch, denn die Jungvögel der letzten Brut einer Saison sehen niemals wie und aus was das Weibchen ein Nest gebaut hat und können es im nächsten Jahr trotzdem selbst
. Wenn das dann aber - wie von Dir angesprochen - schief geht, liegt das
in aller Regel am
Halter !!! Alle Gimpel der Gattung Pyrrhula folgen - im Gegensatz zu den allermeisten anderen Carduelidenarten - einem streng zweigeteilten Nestaufbau. Der sog. Unterbau ist dabei oft schicksalhaft für das Gelingen. Scheitert ein Nestbau ganz oder teilweise ist dies entweder darauf zurückzuführen, das der vom Weibchen avisierte Neststandort sich als nicht tauglich erwiesen hat oder das Tier nicht das für es passende Nistmaterial für den sog. Unterbau gefunden hat. Das hierfür verwandte Material unterscheidet sich grundsätzlich von dem des sog. Oberbaus! Das ist übrigens auch der Grund warum sog. Nesteinleger i.d.R. von dem Weibchen nicht akzeptiert werden
. Manche Tiere nehmen dafür trockene Fichtenreiser, andere Birkenreiser. Bei sämtlichen (!) Arten dieser Gattung konnte ich die Erfahrung machen, das kurze, trockene Heidekrautreiser (ohne Grün!)
i m m e r zum Erfolg geführt haben. Allerdings bauen mache Tiere eben nicht gern in Nistkörbchen oder Nistklötze, sondern frei
. Der sog. Oberbau wird dann fast ausschliesslich aus Kokosfasern erbaut.
Zu guter letzt, will ich noch kurz auf das von Dir geschilderte "aggressive Verhalten" Deines Männchens eingehen. Auch hierbei handelt es sich nicht um ein "Fehlverhalten", sondern um ein durchaus erklärbares Phänomen. Das Verhalten eines Gimpelpaares im Verlauf eines Jahres hängt im wesentlichen von
zwei Faktoren ab:
Zum einen von der oft besprochenen Paarharmonie. Diese ist bei allen Vogelarten die in lebenslanger Einehe leben von entscheidender Bedeutung. Das müsste auch jedem Menschen einleuchten, dass nicht jedes Lebewesen, das mit einem beliebigen Partner auf Gedeih und Verderb in einen Raum verbracht wird, Lust hat erfolgreich Nachkommen mit diesem aufzuziehen! Was den reinen Paarungsakt anbetrifft, kann dies - auch bei Gimpeln - schon anders aussehen
Der zweite entscheidende Faktor ist die über das Jahr hinweg durchaus kurzfristig wechselnde
Gonadenreife (=Eierstöcke) des Weibchens und der
Testes (=Hoden) des Männchens
! Beides wird hormonell gesteuert und wirkt sich massgeblich auf das Agressions- und Rangverhalten der Vögel aus. Es ist zwingend erforderlich, dass das Paar die wechselseitige "Geschlechtsreife" durch sein Verhalten synchronisiert, um ein vollständig befruchtetes Gelege zu produzieren. Für diesen sog. "Synchronisationsprozess" ist nun wieder die oben erwähnte optimale Paarharmonie von ganz entscheidender Bedeutung. Das war bei Deinem Paar wohl nicht der Fall! Vermenschlicht ausgedrückt könnte man wohl sagen, das Paar hat sich zwar gemocht, aber nicht geliebt
. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass solche Paare durchaus auch erfolgreich Junge aufziehen können, aber regelmässig während der Brutsaison mit einem "Agressionswechsel" des Männchens gegenüber dem Weibchen zu rechnen ist - ganz wie beim Menschen
. Das bessert sich also leider nicht.
Erwiesenermassen gelingt der Synchronisationprozess bei optimal harmonierenden Paaren schon im zweiten Brutjahr vollständig!
Ich hoffe der Beitrag ist trotz seiner Länge
noch kurzweilig genug geblieben und konnte Dir ein wenig weiterhelfen?!